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Winterwanderung am Lech

Der Wolf und die Armleuchteralge

 

Es war einmal: Bei Forchach führte eine einfache Holzhängebrücke über den Lech. Nun ist sie einer Hightech Variante aus Sahl und Beton gewichen. Hier beginnt unser Spaziergang.

 

 

Die alte Hängebrücke gibt’s nicht mehr. 1924 erbaut, hat sie fast 100 Jahre lang viele Menschen über den Lech geführt. In ein paar Jahren wird man nicht mehr merken, dass hier eine Großbaustelle war, der Lech und der Hochwasserschutz werden davon profitieren. Unser führt entlang am Lech linkerhand und am Luambächle rechterhand bis zur Mündung des Schwarzwasserbaches.

 

Es ist ein wunderschöner Tag, den Schnee hat es ziemlich weggeschmolzen und die Vögel zwitschern, dass man meinen könnte der Frühling ist eingebrochen. Doch das Wetter täuscht, der Winter gibt noch nicht auf und jetzt, im Februar kämpft er noch mit dem Frühling um die Vorherrschaft. Man kann sich vorstellen, wie unsere Vorfahren nach den langen, eintönigen Wintermonaten den Frühling herbei sehnten. Für viele gab es nur wenig und eintöniges Essen und sie mussten mit den Vorräten auskommen. Doch endlich hat das Winteraustreiben begonnen. Eine elementare Rolle spielt das Feuer. Es spendet Licht und Wärme, es vertreibt böse Geister und symbolisiert natürlich auch die Auferstehung Jesu. Der Winter, oft symbolisiert durch Strohbären, wird durchs Dorf getrieben und verbrannt. Der Frühling wird oft durch Efeugewand verkörpert. Februar, das ist auch der Monat, den man früher Hornung nannte, weil der Rothirsch nun sein Geweih abstreift und ein Neues schiebt.

Als wir die neue Brücke überquert haben, springt uns gleich ein großes Plakat an und klärt uns auf: „Es geht nur das Eine: Unserem Vieh die Almen, dem Wolf die Wildnis!“ Ich frage mich, „welche Wildnis meinen die Ersteller dieses Plakates denn?“ Der Wald gehört dem Staat, den Bauern, den Pächtern, den Jägern, Dde Almen den Bauern, den Almwirten, den Wanderern, dem Alpenverein. Vielleicht meint das Plakat in Wirklichkeit: „Nur ein toter Wolf ist ein guter Wolf. So wie ein toter Bär, ein toter Luchs, ein toter Adler, ein toter Rabe, etc. Sie wurden alle schon mal ausgerottet bei uns. Die Zeiten haben sich geändert und ich bin sicher, die neuen Bauern werden lernen, mit diesen Tieren zu leben, so wie die Schafbauern im Piemont, in der Schweiz, in der Lombardei, in Friaul und Slowenien. Sie setzen Wolfsschutzhunde oder Hirten ein, um ihre Herde zu schützen. So haben wir es bei unserer Alpenüberquerung hundertfach erlebt.

 

Wir lassen das das Plakat hinter uns, denn die Natur ist so unbeschreiblich schön an diesem Tag. Der Lech öffnet sich in seiner vollen Breite, mit all seinen Seitenarmen, von türkisblau nach grünlich. Und ich denke: Mein Gott ist dieses Plätzchen Erde schön! Rechts plätschert leise das Luambächle vor sich hin und man würde es nicht glauben, aber im Wasser wächst was ganz Besonderes: Ja, es ist die Armleuchteralge(Charophyceae ). Sie gehört zu einer sehr ursprünglichen Gruppe von Wasserpflanzen. Ihre Form erinnert an einen vielarmigen Kerzenleuchter. Besonders ist, dass sie nur an sehr sauberen kalkhaltigen Bächen und Seen vorkommt, deswegen also die Wasserqualität exakt anzeigt. Diese Algen wirken auch als Wasserentkalker. Sie nehmen den im Wasser gelösten Kalk aus dem Wasser auf, scheiden ihn aus, und ihre Oberfläche wird von einer starren Kalkkruste überzogen. Sie können bis zu 60 Meter „hinuntertauchen“ und dort leben.

 

Auch Hund Arco genießt den Tag und wäre sicher der Meinung: „Waldesland in Hundeshand“, wenn er gefragt würde. Wenn man ein Stück weitergeht, dann hat man vom Weg einen wunderbaren Ausblick auf den Lech, und gleich danach steht eine alte Buche, die mich sehr beeindruckt. Der Schnee ist übersät von ihren Bucheckern, und auch am Baum hängen noch unzählige. Und ich denke, wie so ein großer Baum mit seinen nahrhaften, fettigen Samen so viele Tiere satt macht. Ob es die Eichhörnchen sind, unzählige Vögel, oder Mäuse. Er gibt alles was er hat. Das Auge auf seinem Stamm schaut mich groß an - als ob er viel zu erzählen hat, wenn ich mir jetzt Zeit nähme um zuzuhören. Aber wir sind es nicht gewohnt, einfach hinzusetzen und zu beobachten, zu spüren, zu genießen und wahrzunehmen...

 

Jürgen und Arco warten ungeduldig, und wir wandern weiter. Es geht am Feldele und an dem vornehmen Jagdhaus vorbei, und wir kommen zur Schwarzwasserbrücke. Dort in der Nähe findet man meiner Meinung nach die schönsten Baumwacholder, die ich bisher gesehen habe. Sie wirken wie Exemplare aus einer urzeitlichen Welt. Ihre Rinde ist struppig, man könnte sagen unordentlich und ungepflegt. Sie passen gar nicht da hinein in den Kiefernwald, und doch wachsen sie gerade da in dem trockenen Klima dieses Waldes, zusammen mit der Schneeheide. Fehlt nur noch das Hexenhaus von Hänsel und Gretel. Wir setzen uns auf meine Isomatte am Rand der Schwarzwassermündung an eine dicke Kiefer und genießen das Wasser und die Sonne. Picknick haben wir keines dabei, und so machen wir uns schließlich wieder auf den Rückweg.

 

Etwas für die Seele:

 

Am Wegrand

Ein glänzender Stein am Wegrand.

So klein – und doch so schön!

Ich legte ihn wieder zurück

und ging weiter.

 

Calvin O. John (indianischer Lyriker und Maler, geb. 1946 in Denver, USA)